Prof. Dr. Maren Lehmann

Statement

 
»Wozu«-Fragen sind immer prekäre Fragen. Sie fordern ja nicht nur dazu auf, einen Zweck oder ein Ziel anzugeben; sondern sie unterstellen auch, daß der Zusammenhang, für den eine solche Angabe gemacht wird, überhaupt als zweckgebunden oder zielorientiert zu verstehen ist. Beides leuchtet für Religionen und Kirchen nicht ohne weiteres ein. Hinzu kommen - wenn man nicht annehmen will, daß Zwecke und Ziele höchstexklusive Bestimmungen sind - Fragen nach möglichen Konkurrenten; und es stellen sich Fragen nach den Kommunikationsformen dieser Konkurrenz. Wie verhindert man eigentlich, daß aus Konkurrenzen, in denen immer für alle Beteligten Platz ist, Kämpfe werden, in denen es um das Überleben des einen und das Nichtüberleben des anderen geht? Kann es dazu kommen, daß dieses Überleben selbst zum Ziel wird? Wie bei einer sehr alten Lebensform, die sich über jeden Tag freut, an dem sie noch wach wird? Kann es sein, so wird mein Beitrag fragen, daß die Kirchen mit der Gesellschaft alt geworden sind und jetzt von der Angst vor ihrem Ende gebannt sind? Ist die »Wozu«-Frage der Seufzer einer ihrer selbst überdrüssigen, lebensmüden Institution?

Mein Beitrag wird versuchen, diesen Seufzer ernst zu nehmen, aber nicht in ihn einzustimmen. Es kommt darauf an, die Strukturformen zu diskutieren, in denen Kirchen und Gesellschaft sich eingerichtet haben. Denn es könnte sein, daß sich Strukturen gebildet haben, die durch »Wozu«-Fragen nicht treffend beschreibbar sind.
 

Vita

 
Maren Lehmann, Dr. phil. habil., geb. 1966 in Sachsen. Studium des Designs an der Hochschule für Kunst und Design Halle (Burg Giebichenstein), dann der Erziehungswissenschaften und der Soziologie an den Universitäten Halle/Wittenberg und Bielefeld. Diplom in Erziehungswissenschaft, Promotion und Habilitation in Soziologie. Forschung und Lehre an den Universitäten Halle/Wittenberg (wirtschaftswissenschaftliche und philosophische Fakultäten), Leipzig (Theologische Fakultät), der Bauhaus-Universität Weimar (Designfakultät und Medienfakultät), der Wirtschaftsuniversität Wien (IVM) und der Universität Duisburg-Essen (gesellschaftswissenschaftliche Fakultät). Seit 2009 Privatdozentin für Soziologie an der Fakultät für Kulturreflexion der Universität Witten/Herdecke, zugleich Assistentin am Lehrstuhl für Kulturtheorie der Zeppelin-Universität. Im Sommersemester 2010 Vertretung der Professur für Allgemeine Soziologie und Soziologische Theorie an der Universität Erfurt (staatswissenschaftliche Fakultät; fortgeführt als Lehrauftrag). Seit April 2012 Inhaberin des Lehrstuhls für Soziologie mit dem Schwerpunkt Organisationstheorie im Department Communication & Cultural Management, seit März 2014 des Lehrstuhls für Soziologische Theorie im Fachbereich Kulturwissenschaften der Zeppelin Universität. Seit Januar 2013 zugleich Privatdozentin für Soziologie an der Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erfurt. Mitglied in der Sektion Soziologische Theorie und in der Sektion Organisationssoziologie der DGS.