Prof. Dr. Herbert Schui

Statement

 
Der Ordo-Liberalismus als deutsche Ausformung des Neoliberalismus schreibt dem Markt und Wettbewerb die Eigenschaften eines Wesens zu. Hierdurch soll die kollektive, bewusste und zielgerichtete politische Aktion ersetzt werden durch Unterwerfung unter die Äußerungen des Marktes. Nawroth, einer der bedeutendsten Vertreter der katholischen Soziallehre, kritisiert in diesem Rahmen die "für unsere Begriffe geradezu mythische Personifizierung und Verabsolutierung der Marktautomatik als 'außer- und übermenschlichen Intelligenz' (F. Böhm), die als 'höheres Gesetz', als 'Instrument einer höheren Vernunft' (L. Miksch) in Funktion tritt". Ihren Weisungen gegenüber muss der wirtschaftende Mensch nach der Auffassung Hayeks, so Nawroth weiter, eben aus dem Bewusstsein unseres begrenzten Verstandes, die Grundhaltung der „Demut“ und des Gehorsams gegenüber den „unpersönlichen und anonymen sozialen Prozessen, die den Menschen angeblich in Gebrauch nehmen, aufbringen, andern falls er empfindlich bestraft wird (…).“ (Nawroth. Die wirtschaftspolitischen Ordnungsvorstellungen des Neoliberalismus, Köln, Berlin, Bonn, München 1962, S. 19)

Indem die christliche Theologie dem Menschen einen freien Willen zubilligt und ihn damit auch verantwortlich macht für den Zustand der Gesellschaft, kann sie die demütige Unterwerfung unter den Markt im Allgemeinen oder unter den Finanzmarkt im Besonderen nicht gutheißen. Sie kann auch nicht einverstanden sein mit dem Menschenbild des Neoliberalismus, wenn dieser betont, dass „die Wirtschaftswissenschaft tatsächlich die universelle Grammatik der Sozialwissenschaft darstellt.“ (Hirschleifer, The Expanding Domain of Economics, The American Economic Review, 1985 No. 6, S. 53) Denn dies bedeutet, dass Maximierung des Gewinns als Leitlinie unternehmerische Handelns das Vorbild allen menschlichen Verhaltens ist – hier in der allgemeinen Form der Vorteilsmaximierung.
 

Vita

  • geb. 13.3.1940
  • Abitur 1961 am St. Matthias-Gymnasium in Gerolstein/Eifel
  • Wehrdienst 1961/62
  • Ab WS 1962/63 Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität zu Köln, Diplom 1968
  • 1972 Promotion an der Universität Konstanz
  • 1974 – 1980 Assistenzprofessor an die Universität Bremen
  • 1980 Professor für Volkswirtschaftslehre an die Hochschule für Wirtschaft und Politik (HWP) in Hamburg, pensioniert seit 2005
  • Mitbegründer der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik (1975)
  • Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat von Attac
  • Mitbegründer der ASG (2004), aus der später die WASG hervorgegangen ist
  • 2005 – 2010 Mitglied des Deutschen Bundestages, Fraktion Die Linke